Trumps Jury-Urteil: Der Triumph des Gesetzes über Mathematik und rechtlichen Realismus

Wie ein unerwartetes Urteil die Rechtsprechung auf den Kopf stellt

Die Verurteilung von Donald Trump durch eine Jury in New York hat nicht nur Wellen geschlagen, sondern auch die grundsätzliche Debatte über die Rechtsprechung neu entfacht. Wie konnte es sein, dass eine Jury aus New York, die nach allen Wahrscheinlichkeitsmodellen gespalten sein müsste, Trump einstimmig schuldig sprach?

Warum die Mathematik versagte

Vor dem Urteil waren viele Beobachter überzeugt, dass die Juroren sich entsprechend den Umfragen in New York aufteilen würden. Diese Umfragen zeigten, dass Trump und Biden Kopf an Kopf lagen. Sollte die Jury also ein Spiegelbild der Wählergemeinschaft sein, hätten einige der Juroren zwangsläufig pro-Trump sein müssen. Ein einziges abweichendes Votum hätte zu einem sogenannten „Hung Jury“ geführt, bei dem kein einstimmiges Urteil zustande kommt. Doch genau das geschah nicht. Wie ist das zu erklären?

Der Sieg des Legal Formalism

Die Antwort liegt in der Theorie des Legal Formalism, die besagt, dass Beweise und nicht persönliche Vorurteile über das Urteil entscheiden. In diesem Modell wählen Staatsanwälte und Verteidiger die Juroren sorgfältig aus, um sicherzustellen, dass sie neutral und unvoreingenommen sind. Der Richter gibt klare Anweisungen, nur auf die vorgelegten Beweise zu achten und alle anderen Einflüsse auszublenden.

In Trumps Fall hörten die Juroren Zeugenaussagen von Stormy Daniels und Michael Cohen. Beide lieferten belastende Details über Trumps Rolle bei der Zahlung von Schweigegeld. Trotz aller Bemühungen der Verteidigung, Zweifel an den Aussagen zu säen, überzeugte die Beweislast die Jury. Die einstimmige Verurteilung zeigt, dass die Juroren die Beweise über mögliche politische Vorlieben stellten.

Der skeptische Blick des Legal Realism

Gegner dieser Auffassung, die Anhänger des Legal Realism, argumentieren jedoch, dass menschliche Vorurteile unvermeidlich sind. Ihrer Ansicht nach sind Juroren keine unbeschriebenen Blätter, sondern Menschen mit eigenen Überzeugungen und Vorurteilen. Trump selbst griff diese Argumente auf, indem er die politische Zugehörigkeit des Staatsanwalts und des Richters anprangerte. Er behauptete, das Verfahren sei politisch motiviert, und stellte die Neutralität aller Beteiligten infrage.

Diese Skeptiker glauben, dass die Verurteilung das Ergebnis eines voreingenommenen Auswahlprozesses war oder dass die pro-Trump-Juroren möglicherweise unter Druck gesetzt oder sogar bestochen wurden. Sie zweifeln daran, dass zwölf zufällige Bürger einstimmig ein so klares Urteil fällen könnten, ohne dass politische und persönliche Vorlieben eine Rolle spielten.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Das Urteil gegen Trump wirft ein Schlaglicht auf die Spannungen zwischen Legal Formalism und Legal Realism. Es stellt die Frage, ob es möglich ist, eine wirklich neutrale Jury zu finden, und ob das Rechtssystem in der Lage ist, den Einfluss von Vorurteilen vollständig zu eliminieren.

Eines ist sicher: Das Urteil hat gezeigt, dass zumindest in diesem Fall die Beweise und die sorgfältige Auswahl der Juroren entscheidend waren. Es bleibt abzuwarten, wie zukünftige Fälle von ähnlicher Brisanz ausgehen werden und welche Rolle Vorurteile und politische Zugehörigkeiten dabei spielen werden.

In der Zwischenzeit bleibt das New Yorker Urteil ein Beispiel dafür, dass das Rechtssystem, trotz aller Skepsis, in der Lage ist, nach den Regeln der Beweisführung zu arbeiten und ein faires Urteil zu fällen.